Das historische Gau-Odernheim
ein Rundgang
Von Bernd Manz und Ernst Mayer
Straßenabschnitt 3
Obermarkt - Kirchgasse
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Abb. 13: Obermarkt mit Rathaus (1828)
Abb. 14: mittelalterliches Rathaus (1450)
Auffällig ist das große Rathaus. Es wurde 1828 als Schulhaus für drei Klassen erbaut, nachdem man den mittelalterlichen Fachwerkbau abgerissen hatte.
Abb. 15: Haus Merz (1608/1609)
Das Fachwerkhaus Ecke Burggasse Obermarkt, im Fundament auf Pfosten stehend, stammt wahrscheinlich aus den Jahren 1608/1609. Es wurde vom jetzigen Besitzer, Ulrich Merz, im Jahre 2000 renoviert.
Abb. 16: Haus Matthäus (1603)
Das Gasthaus zum “Deutschen Haus”, Mainzer Straße 1, ist im Besitz von Arthur Matthäus. Es stammt aus den Jahre 1603 und wird im Jahre 1821 als Gasthaus “Zum Engel” erwähnt.
Abb. 17: Haus Nehrbass (Anfang 18. Jahrhundert)
Die westliche Häuserfront des Obermarktes (Seite zur Kirche hin) ist jünger. Das Fachwerkhaus der Familie Nehrbass, Obermarkt 5, lässt sich auf den Beginn des 18. Jahrhunderts datieren. Das Gebäude gehörte bis ins 19. Jahrhundert der Gemeinde und wurde als Herberge für Reisende und Händler verpachtet. Bis 1882 war es Gastwirtschaft (“Zum Ochsen”). Weitere Eigner: Kolonialwarenhändler und Postagent Winter aus Dittelsheim (1882), Ferdinand Lieber (Textilien, Landprodukte), Jean Wilk (ab 1896, Kaufmann), Familie Nehrbass (ab 1972 - Wäscherei - Reinigung).
Abb. 18: Marktbrunnen
Der rote Sandsteinbrunnen erinnert an den Brunnenschacht im südlichen Teil des Obermarktes; bis 1920 stand hier eine Pumpe. Von 1576 bis 1834 floss vor dem Gasthaus Matthäus der Römerbrunnen, auch als Marktbrunnen oder fließender Brunnen bezeichnet. Er wurde über die bereits erwähnte Rohrleitung vom Pfaffenbrunnen versorgt.
Abb. 19: Eingang Rathaus
Die Elle am Eingang des Rathauses (24 Zoll = 60 cm)
erinnert daran, dass der Obermarkt Zentrum des mittelalterlichen
Handels- und Wirtschaftslebens war. Hier befanden sich die
Backhäuser, das obere Gemeindebackhaus, die
Fleischscharrn = Fleischbank (Anwesen Pizzeria “Da Franco
Jolly” und Rauscher; Obermarkt 9), das
“gemeine” oder Unterbackhaus (Anwesen Metz, Obermarkt
19). Hier schloss sich – wie heute noch – die Reihe
der Gasthäuser.
Obermarkt und Untermarkt waren Mittelpunkte der beiden
Jahrmärkte und des Wochenmarktes. Ab 1816 wird der
Jahrmarkt am Sonntag auf bzw. nach Michael (29.09.)
gehalten. Im Volksmund: “Der Michel muss an Markt
mitessen”. Seit 1996 ist er als Handwerker- und
Bauernmarkt gestaltet und findet vor der Petersberghalle statt.
Abb. 20: Urkunde vom 17.6.1299
Kopie der Urkunde vom 17.6.1299 – König
Albrecht bestätigt die Oppenheimer Freiheiten und ordnet
einen Dienstag-Wochenmarkt an.
Im Erdgeschoss des Rathauses gibt es einen kleinen
Museumsraum mit Exponaten aus Gau-Odernheim, darunter
eine Urkunde vom 29.4.1287: Die Bürger vom
Oppenheim besiegeln eine Abschrift der Urkunde, in der
König Rudolf von Habsburg den Bürgern von Odernheim
Freiheit und Rechte der Bürger von Oppenheim verleiht.
Abb. 21: Bibel
Eine Bibel, signiert am 27.2.1826 von Elisabetha Finkenauerin.
Abb. 22: Rathausschild
Das frühere Rathausschild mit der Aufschrift “Volksstaat Hessen – Bürgermeisterei Gau-Odernheim”. Die pfälzischen Odernheimer kamen am 8.7.1816 mit dem linksrheinischen “hessischen Landesbezirk” zum Großherzogtum Hessen. Ab 1818 verwendete man die Bezeichnung “Rheinhessen”, die nach der Zugehörigkeit zum Land Rheinland-Pfalz (1946) beibehalten wurde.
Abb. 23: Blashorn des Nachtwächters
Bis 1895 gab es das Amt des Nachtwächters. Mit dem Blashorn gab er Signal.
Abb. 24: Ortsschelle
Ortschelle - Mitteilungen der Gemeinde wurden bis in die fünfziger Jahre durch den “Polizeidiener”, zuletzt Philipp Zulauf, an Straßen und Plätzen der Gemeinde verlesen. Bevor das lang gezogene “Bekannt-mach-ung” ertönte, rief er die Hörer mit Hilfe der Schelle zusammen. Sie wurde im Juni 1957 durch das Megaphon, später durch das Mitteilungsblatt der Gemeinde abgelöst.
Abb. 25: Ortswappen
Im Ratssaal ist das Ortswappen abgebildet. Es wurde mit
Urkunde vom 15.4.1961 genehmigt. “In Gold ein rot
bekrönter roter Königskopf zwischen zwei schwarzen
Adlerflügeln”. Seit 1300 ist ein Siegel von
“Odirnheim” mit der lateinischen Bezeichnung als
“Stadt des römischen Reiches” belegt; das
jetzige Wappen seit 1555. Der rote Königskopf, vulgo
“Indianer” genannt, stellt Rudolf von Habsburg dar,
welcher dem Ort am 16.4.1286 mit dem Oppenheimer Rat die
Reichsfreiheit verlieh.
Dies bedeutete: Selbstverwaltung (der städtische Rat aus
Burgleuten, Adeligen und Bürgern war höchste
Behörde), Verordnungs- und Besteuerungsrecht,
unbeschränktes Gerichts- und Strafrecht, Ausbau der Burg-
und Festungsanlage, Marktrecht.
Die erste Verpfändung erfolgte 1315; sie war der Beginn
zahlloser weiterer Verpfändungen durch Könige und
Kaiser, die in Geldschwierigkeiten waren.
Ab 1482 beschränkten die pfälzischen Kurfürsten
die Rechte und Freiheiten der Odernheimer. Der erfolglose
Aufstand gegen den Kurfürsten Ludwig VI., Pfalzgraf bei
Rhein, bedeutete das Ende der Reichsstadt. Odernheim wird ab
13.4.1579 pfälzisches Amtsstädtchen. Der
“Pfandherr” wurde zum “Landesherren”
(Kern).
Abb. 26: Kirchgasse
Wir verlassen den Obermarkt in Richtung Kirchgasse. Das restaurierte Gebäude der Kreissparkasse, Obermarkt 17, wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut. Die Bezeichnung “Zum Römer” der früheren Gastwirtschaft von Valentin Bürky, Obermarkt 17, und des benachbarten heutigen Gasthauses “Zum Römer” der Familie Singh, Kirchgasse 2, knüpft an den traditionellen Namen für den nördlichen Teil des Platzes (Höhe Rathaus bis Haus Matthäus). Der Begriff “Obermarkt” ging erst nach dem Bau des jetzigen Rathauses (1828) auf den gesamten Platz über.
Abb. 27: Katholisches Schulhaus (1757)
Das kleine Haus auf der rechten Seite, Kirchgasse 5, war das katholische Schulhaus (1757). Es nahm eine Klasse und einen Lehrer auf. Das gegenüber liegende katholische Pfarrhaus wurde 1759 erbaut.
Abb. 28: Stadtschreiberhaus (1609)
Abb. 29: Erker Stadtschreiberei (1614)
Ein Blickfang ist der prächtige Fachwerkbau des Stadtschreiberhauses. Über der Eingangtür ist das Jahr 1609 eingemeißelt. Auf dem Erker ist der Reichsadler abgebildet; letzterer war im 17. Jahrhundert Teil des kleinen Stadtsiegels und des Gerichtssiegels.